Bergische Morgenpost vom 31.08.2020
Die Ortsbauernschaft Remscheid hatte am Samstag zur Diskussion mit Politik und Verwaltung auf den Geflügelhof Kottsieper eingeladen und forderte Stellungnahmen. Existenzangst der Landwirte ist groß.
Von Anna Mazzalupi
Landwirtschaft und Ernährung sind systemrelevant. Darin waren sich am Samstagvormittag auf dem Geflügelhof Kottsieper auf Obergarschagen alle einig. Die Ortsbauernschaft Remscheid hatte Politiker, Vertreter der Verwaltung sowie der Naturverbände zum Gespräch gebeten. Unter dem Titel „Landwirtschaft auf den Punkt gebracht“ brachten die Landwirte Sorgen und Nöte vor und forderten Stellungnahmen der Politik.
„Seit Corona wissen wir, wie wichtig die Produktion vor Ort ist“, betonte Andreas Kempe, Vorsitzender der Ortsbauernschaft. Doch die anhaltende Trockenheit mache den Bauern der Region zu schaffen. Die Ernte, so Kempe, sei in diesem Jahr unterdurchschnittlich, die Futtermengen entsprechend zu gering, Vorräte vom vergangenen Jahr längst aufgebraucht. Zusätzlich fehle es an Flächen für den Anbau. „Von der Politik fordern wir, den Flächenverbrauch für Gewerbe- und Wohngebiete sowie für Ausgleichsflächen so gering wie möglich zu halten, damit den Betrieben nicht die Existenzgrundlage genommen wird“, sagte er.
Remscheid sei eine Industriestadt und brauche Gewerbeflächen, erwiderte Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz (SPD) in seinem Impulsvortrag. Das „Recycling“ von Brachflächen werde betrieben, sei aber oft nicht ausreichend. Gerade im qualitativ hochwertigen Wohnsegment sei die Nachfrage nach neuen Fläche groß. Die Interessen aller zu bündeln, sei nicht einfach. In Zukunft, so versprach der OB, wolle man die Landwirte aber intensiver einbinden. OB-Kandidatin Alexa Bell (CDU) betonte, dass die Kommunikation mit allen Beteiligen das Wichtigste sei, sie als Ansprechpartnerin zu Verfügung stehe.
Fritz Beinersdorf, OB-Kandidat der Linken, plädierte für eine regionale Agrarpolitik und eine Risikoausgleichsrücklage, damit Bauern trotz Dürre überleben können. Er sieht aber auch die Verbraucher in der Pflicht: „Lieber ein oder zwei Euro mehr für ein Produkt zahlen, das dafür in heimischen Betriebe produziert wurde und eine bessere Qualität hat.“ Roland Kirchner, OB-Kandidat der W.i.R., appellierte ebenfalls an die Eigenverantwortung der Konsumenten. Wenn es um die Ansiedlung von Gewerbe gehe, haben die Landwirte immer noch das größte Sagen, ist er sich sicher. Davon sollten sie Gebrauch machen.
Dem widersprach Andreas Kempe. Häufig haben aktive Landwirte nur einen Pachtvertrag für diese Flächen. Das Mitspracherecht der Bauern sei also gering, erklärte er der Redaktion. Die Anregungen aus dem Vortrag von Landwirt Willi Kremer-Schillings – besser bekannt als „Bauer Willi“ – gezielter in die Öffentlichkeit zu gehen, den Menschen in verständlicher Sprache Aufgabe und Ablauf der Landwirtschaft näherzubringen, will er gerne aufgreifen.
Der Landwirt befinde sich im Spagat zwischen Bürger und Verbraucher, erklärte Bauer Willi. Der Bürger fordere Dinge wie Tierwohl, Artenvielfalt, Klimaschutz. Der Verbraucher sehe nur den Preis. Der Landwirt müsse Aufklärung betreiben. Aber auch die Politik nahm Bauer Willi in die Verantwortung: „Lebensmittel sind keine Produkte für den Weltmarkt.“ Ein Außenschutz sei nötig, die Aussicht darauf aber gering. In zehn Jahren werde es nur noch die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe geben. Diese werden größer und technisierter sein.