Remscheid. Wenn die Remscheiderinnen und Remscheider am 14. September ihr Kreuzchen auf dem Wahlzettel machen, wird eine Gruppierung fehlen: Die Wählergemeinschaft Wir in Remscheid (WiR) tritt für den neuen Stadtrat nicht mehr an. Das vorläufige Aus nach 25 Jahren markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Initiative, deren Anspruch es stets war, unabhängige Politik von Bürgern für Bürger zu betreiben.
Mitgliedersuche: Kampagne ging ins Leere
Zu dem Rückzug bezogen am Montag die Ratsmitglieder Waltraud Bodenstedt und Thomas Brützel sowie Ina Garweg und Roland Kirchner Stellung. Ihre Begründung: „Um es kurz und knapp zu formulieren: Uns fehlen schlicht die Mitstreiter“, erklärte Kirchner.
Eine Kampagne auf Plakaten und in den sozialen Medien, die in den vergangenen Monaten dazu führen sollte, neue Gesichter zu gewinnen, sei ins Leere gelaufen. „Das mag auch daran liegen, dass wir als politische Kraft nicht mehr wahrgenommen wurden. Uns ging es nicht darum, in die Schlagzeilen zu kommen, sondern um konstruktive Arbeit für Remscheid. Vielleicht sind wir dadurch aus der Zeit gefallen“, sagte Waltraud Bodenstedt, die nach 21 Jahren im Stadt-Parlament aufhört
Waltraud Bodenstedt nimmt Seniorenrat ins Visier
Für ein anderes Gremium will sie aber kandidieren: für den Seniorenrat, der ebenfalls am 14. September gewählt wird und der die Interessen der älteren Remscheider vertritt. Und: Als eingetragener Verein bleibt die Wählergemeinschaft vorerst erhalten. Aktuell hat sie zwei Ratsmitglieder.
Zum Teil sei es enttäuschend gewesen, dass die WiR mit ihren Vorstößen keine Chance auf eine Mehrheit hatte. „Abgeschmettert“ worden sei zum Beispiel die Idee einer Stadtbahn, bei der Teile des Busverkehrs auf die Schiene gesetzt werden sollten.
Zuweilen mussten sie sich ärgern
Dass die Interessen von Unternehmen beim Umbau der Freiheitstraße kaum beachtet werden, ärgert Waltraud Bodenstedt ebenfalls. „Remscheid ist eine Industriestadt. Das muss sich doch im Mobilitätskonzept widerspiegeln“, erklärte sie mit Blick auf die Beschlüsse, die von der Ratsmehrheit aus SPD, Grünen und FDP gefasst wurden.
Unter deren Regie sei in den vergangenen Jahren so gut wie nichts geschehen. „Diese Legislaturperiode wird nur durch die neuen Radstreifen an den Straßenrändern in die Geschichte eingehen“, befand Roland Kirchner.
Dennoch: Immer wieder sei es der WiR gelungen, einen gewissen Einfluss geltend zu machen. „Zum Beispiel wurden die Verträge mit dem Investor für die geplante Flüchtlingsunterkunft am Lüttringhauser Bahnhof nach unseren Hinweisen geändert“, blickte Waltraud Bodenstedt zurück. Auch bei diesem Thema habe sich die Wählergemeinschaft als Anwalt der Anwohner verstanden.
Zeitintensives Hobby: Kommunalpolitik
Wie so häufig habe dies aber nicht dazu geführt, dass Interesse für ein Engagement bei der WiR geweckt wurde, die als Verein gerade noch 17 Mitglieder zählt. „Wir hätten es vielleicht noch geschafft, sämtliche Wahlbezirke zu besetzen“, stellte Thomas Brützel fest. Aber: Eine Garantie, dass darunter die politische Arbeit nicht leiden könnte, sei das nicht.
Diese sei vor allem eines: zeitaufwendig. Das gilt vor allem für das Lesen unzähliger Vorlagen mit Zahlen, Daten und Fakten aus dem Rathaus, die Waltraud Bodenstedt immer wieder kritisch hinterfragte und darin Widersprüche aufdeckte. „Frustrierend ist, dass dies jetzt im Rat fehlen wird“, merkte Ina Garweg an.
Grundsätzlich gebe es andere Möglichkeiten, sich zum Wohle Remscheids zu engagieren, fügte Roland Kirchner hinzu: „Bürgerbegehren zum Beispiel oder Anwohneranträge. Auch darauf könnten wir uns künftig konzentrieren.“
So bedeutet das Ende der Ratsarbeit nicht das Ende des Einsatzes für Remscheid. Denn das Interesse daran, wie es mit der Stadt weitergeht, scheint bei den vier Ortspolitikern ungebrochen. Kein Wunder nach all den Jahren.